Ich halte es weiterhin für völlig übertrieben, wenn es schon vier Wochen vor Heiligabend nur noch ein Thema gibt: Weihnachtsstress. Was ist vor Weihnachten anders? Als Kinder hatten wir Stress, wussten aber gar nicht, dass es das Wort gab und wenn doch, was es bedeutet. Wir waren schlichtweg aufgeregt. Schafften wir es, pünktlich zum Glockenklang der Bescherung das Weihnachtsgedicht auswendig zu lernen? Wurde das selbstgebastelte Geschenk für Mama und Papa fertig und tatsächlich mehr als ein gut gemeintes Symbol zum Fest der Liebe? Am meisten aber stieg die Nervosität bei der Frage, welches der Geschenke vom Wunschzettel tatsächlich unterm Weihnachtsbaum liegen würde.
Weihnachtsstress heute? Es dreht sich um die Frage, was zum Festessen für die Familie aufgetafelt werden soll. Also eigentlich erstmal nur um die Frage: Was wollen wir dieses Jahr essen? Grund für Stress? Dann gibt es den vor jedem Wochenende. Auch da gibt es die Frage, was es zu essen geben soll. Die gleiche Frage, nur eben in kleineren Portionen, weil für zwei Personen logischerweise nicht so viel eingekauft und gekocht/gebraten werden muss, wie für zwölf Leute zum Weihnachtsessen der Familie. Aber deswegen wochenlanger Stress? Alles eine Frage einer vernünftigen Einkaufsplanung.
Der Geschenkestress ist der Vernunft gewichen. Geschenkeberge gibt es bei uns nicht mehr. Wenn überhaupt, eine klitzekleine Kleinigkeit. Das Zusammensein im Familienkreis ist wertvoller als jedes kunstvoll eingepackte Präsent – zumal ich die Kunst des Geschenkeeinwickelns nicht beherrsche, meistens mehr Tesafilm als Geschenkpapier verwende, wenn ich denn doch mal als Einwickler dran bin. Eigentlich gibt es nur eine große Herausforderung, die in der Vergangenheit schon zu vorfestlichen Verstimmungen geführt hat. Der Weihnachtsbaum. Ich habe alle Variationen ausprobiert. Kauf an der Tankstelle, beim Weihnachtsbaumhändler auf dem Markt. Ich war selbst mit Motorsäge und Axt (mit staatsforstlicher Erlaubnis) unterwegs. Ich habe mir von einem Arbeitskollegen einen Baum mitbringen lassen. Das Urteil fiel stets je nach Betrachter sehr unterschiedlich aus.
Klar es gab Bäume, die ihre Schönheit und viele Zweige auf dem Transport verloren hatten. Trick meines Opas: Löcher in den Stamm bohren, mit frischen Zweigen die kahlen Stellen kaschieren. Es gab auch Probleme, den Baumstamm in den Christbaumständer zu platzieren und die Schrauben festzuziehen, weil der Stamm zu dick war. Es wurde nach der Bearbeitung mit Axt und Säge nicht einfacher, weil sich ein zu dünner Stamm auch nicht justieren lässt, der Baum einfach haltlos umkippt. Inzwischen gibt es einen Christbaumständer, mit dem sich jeder Baum schraubenlos festzurren lässt.
Was bleibt, ist jedes Jahr die Frage, welcher Baum es denn sein soll? Das ist der einzige Anlass, bei dem kurz vor Weihnachten ein ganz klein wenig Stress aufkommt. Eigentlich nicht wirklich Stress, vielleicht wie früher als Kind die Vorfreude, wie der Baum im Wohnzimmer aussieht, wenn die Lichterkette angebracht ist und die bunten Kugeln hängen. Da würde sogar aus jeder Trauerweide ein strahlender Weihnachtsbaum werden. Also: Kein Weihnachtsstress. Schön ruhig bleiben und sich entspannt aufs Fest freuen.
Frohe Weihnachten!
Eckard Schulz