St.-Georg-Kirche im Mai 2016

 © Birger Schwarz

© Birger Schwarz / Kirchengemeine Meinerdingen 

© Birger Schwarz / Kirchengemeine Meinerdingen 

Der Lieblingsplatz von ganz vielen

Nachricht Meinerdingen, 07. Juni 2024

Das Meinerdinger Kirch-Café ist seit 20 Jahren eine einmalige Erfolgsgeschichte

Was macht man, wenn man auf seinem Gelände ein sehenswertes altes Gebäude hat, aber nicht das notwendige Geld, um es dauerhaft zu erhalten? In Meinerdingen wurde die Antwort vor 20 Jahren gefunden. Seitdem ist das ehemalige Pfarrwitwenhaus, das früher auch schon mal als Gaststätte die sonntäglichen Kirchgänger auf Bier und Köm einlud, zum Kirch-Café umfunktioniert worden. Und es ist mehr als ein Ort zum Verweilen. Das Café ist zur Keimzelle für immer neue Ideen geworden. Und darum kommen die Menschen nicht nur dienstags zwischen 14 und 18 Uhr, um selbstgebackenen Kuchen und Kaffee zu genießen. Mindestens einmal im Monat im Sommer wird aus dem Gelände vor dem kleinen knuddeligen Café ein Festgelände, auf dem sich häufig mehrere hundert Menschen treffen.

Das Meinerdinger Kirch-Café ist nach zwei Jahrzehnten Kult. Die einzige Krise, die das Kirch-Café bisher zu überstehen hatte, war nicht hausgemacht. Wegen Corona mussten die Türen geschlossen bleiben. Als es im Mai 2022 weitergehen durfte, hatten sich viele vom alten Team zumeist aus Altersgründen zurückgezogen. „Aufgeben ist für uns nie eine Option gewesen“, betont Thomas Delventhal im Rückblick. „Zur Not starten wir im kleinen Kreis: Thomas am Grill, ich am Getränkestand“, fügt Sigrid Delventhal hinzu. Natürlich kam es anders. Erst erklärte der Stiftungsvorstand sich bereit, den ersten Grillabend auf der Kirchwiese mit dem angegliederten Schlachtefest der Sparschweine zu übernehmen. Dann sei der Zuspruch immer größer geworden. „Immer mehr Menschen sind gekommen und haben ihre Hilfe angeboten“, erzählt der Pastor. Heute besteht das Team aus über 30 Ehrenamtlichen, die vor und hinter den Kulissen dafür sorgen, dass die Großveranstaltungen auf der Kirchwiese eine Anziehungskraft weit über die Walsroder Stadtgrenzen entwickelt haben.

Und wie war das am Anfang, als die Idee eines Cafés mit besonderem Charakter entwickelt und schließlich umgesetzt wurde? Gab es nie Zweifel, dass daraus eine Bruchlandung werden könnte? Die Frage ist überflüssig. Der Begriff Zweifel und das Ehepaar Delventhal passen nicht zusammen. Hinzu kommt, dass sie viele Menschen mit ihren Ideen überzeugen, weil sie die Dinge nicht nur theoretisch, sondern vor allem sehr praktisch und selbst angehen. So packten viele Handwerker und Freiwillige bei der notwendigen Restaurierung des Pfarrwitwenhauses an. Axel Gill und Germar Bulke vom „Vertiko“ machten ihnen den Vorschlag, Möbel, Gemälde und Dekorationsgegenstände aus ihrem Antiquitätengeschäft mitzunehmen und zu bezahlen, wenn sie das nötige Geld dafür haben. Sollte das Café-Projekt scheitern, würden sie eben alles wieder abholen.

Am ersten Eröffnungstag waren zehn Torten und Renate Frerkings legendärer Butterkuchen gebacken worden. Damals wie heute gab es innen 25 Sitzplätze. „Es sind viele Leute gekommen, und wir konnten danach den ersten Stuhl bar bezahlen“, erinnert sich Sigrid Delventhal, die gemeinsam mit Ute Bremer für das besondere Flair des Cafés sorgte.

Meinerdingens Pastor hatte da schon drüber nachgedacht, vielleicht abends für die Gäste draußen auch eine Bratwurst zu grillen. Über viele Jahre gab es in den Sommermonaten eine kleine Abendkarte, die auch aus preislichen Gründen besonders von Urlaubsgästen mit Familien angenommen wurde. Sechs Biertischgarnituren waren angeschafft worden. „Wir haben beim ersten Mal nur vier aufgebaut“, weiß Sigrid Delventhal noch genau. Wenn heute zum Grillabend mit Musik eingeladen wird, sind mehr als 30 Bierzeltgarnituren aufgebaut. Einige bringen ihre Sitzgelegenheit sogar im Anhänger von Zuhause mit. Das Team von „Tante Martha“ kommt häufig zum Spätshoppen an den Grillabenden. Konkurrenzdenken ist da Fehlanzeige, zumal das Landgasthaus dienstags seinen Ruhetag hat.

Das Herz ist und bleibt der Nachmittag im Kirch-Café des alten Pfarrwitwenhaus. Fünf Frauen gehören zum Team, die jede Woche für leckere Kuchenangebote sorgen. Eine Chefin gebe es nicht. „Renate und Ute sorgen dafür, dass alles klappt. Wir wollten ganz bewusst auch ein Stück Professionalität im Umgang mit unseren Gästen vorweisen. Wir sind sozusagen ehrenamtliche Profis“, beschreibt Sigrid Delventhal das besondere Konzept. Und ihr Mann fügt eine weitere Besonderheit hinzu. „Wir denken über Gemeindegrenzen hinaus. Wir sehen das Potenzial. Und letztlich geht es hier bei uns immer um das Gemeinschaftsgefühl. Hier wird man als Gast betütelt.“ Darum würden auch zunehmend kleine Geburtstagsrunden kommen. Wirtschaftliche, aber familienfreundliche Preise habe man stets im Auge gehabt, sich dabei aber nie als Konkurrent zu den Profis gesehen. „Bei uns verdient keiner, aber hier gewinnen alle“, bringt es Sigrid Delventhal auf den Punkt.

Alles, was von den Einnahmen übrig bleibt, bleibt auch in der Gemeinde. Zum einen werde so der Erhalt des Gebäudes sichergestellt. Außerdem würde notwendige Ausrüstung für die Feste in der Gemeinde finanziert. Alles werde hier durch die Arbeit vieler ehrenamtlicher Hände erwirtschaftet.

Am bewährten Konzept soll sich auch nach 20 Jahren nichts ändern. Wer bei den musikalischen Grillabenden auf der Kirchwiese essen und trinken möchte, hat Gelegenheit zum zusätzlichen Klönschnack mit anderen Menschen, die sich mit ihm vor dem Grill oder an der Getränkequelle angestellt haben. Und eine Besonderheit macht das paradiesische Fleckchen Erde an der Kirche auch noch aus. „Auch die Musiker genießen diesen besonderen Ort für ihre Auftritte“, verweist Meinerdingens Pastor darauf, dass bisher noch nie eine Gruppe Gage verlangt hat – natürlich außer der vom Pastor gegrillten Bratwurst.

Eckard Schulz