Als Ingrid Kraneis nach Meinerdingen kam, weil ihr Mann unbedingt eine Pfarrstelle auf dem Land übernehmen wollte, war die Kirchengemeinde Meinerdingen von der heute oft zitierten paradiesischen Atmosphäre rund um Kirche und Kirch Café so weit entfernt wie der Heideboden vom Himmelszelt. Doch Ingrid Kraneis war stets eine „Macherin“, eine Frau, die wusste, was sie wollte und wie sie dabei andere, vor allem junge Menschen begeistern und mitnehmen konnte. Fast 30 Jahre war sie Pfarr-Diakonin in Meinerdingen. Im April ist sie im Alter von 87 Jahren verstorben.
Pfarrhaus und Kirche befanden sich bei ihrem Wechsel von Bremerhaven nach Meinerdingen in einem mehr als desolaten Zustand. Ihr Mann sorgte bei den zuständigen Stellen dafür, dass Gelder in die Restaurierung flossen. Ingrid Kraneis investierte ganz viel Kraft und Zeit in die Gemeindearbeit für Kinder, Jugendliche und Frauen. Als ich mich mit ihr für das Buch zum 750. Gemeindejubiläum unterhielt, erinnerte sie sich daran, wie sie drei Stunden hintereinander drei Gruppen Vorkonfirmanden Unterricht gab. Unentgeltlich habe sie geschuftet. Das Läuten der Kirchglocke mit dem Seil sei eine echte Knochenarbeit gewesen.
Für Frauen seien die 70er Jahre in der Kirche schwer gewesen, sagte sie im Gespräch, wich dabei Fragen aus, wie ihr Mann das gesehen und beurteilt habe. Die Arbeit mit und für die Kinder und Jugendlichen habe ihr sehr viel Freude bereitet. Als dann der damalige Landessuperintendent die Kirchengemeinde besuchte, nutzte sie die Chance, ihm ihre Situation zu schildern, benutzte den Begriff „ausgenutzt werden“. Sie tat das so eindringlich, dass der Landessuperintendent eine halbe bezahlte Stelle als Diakonin einrichten ließ. Später wurde daraus sogar eine volle Stelle.
Eine große Palette von Angeboten rief Ingrid Kraneis für Kinder, Jugendliche und Frauen im damaligen Gemeindehaus an der Quintusstraße ins Leben. Über die Kinder gelang es ihr, den Kontakt zu den Erwachsenen in der Gemeinde aufzubauen und sich schließlich richtig wohl und zu Hause zu fühlen. Als sie sich nach rund 30 Jahren als Diakonin in den Ruhestand zurückzog, um in ihr Haus an der Dorfallee zu ziehen, erhielt sie dabei ganz viel handwerkliche Hilfe von vielen „Ehemaligen“, die sie für die Jugendarbeit in der Kirchengemeinde gewinnen konnte.
Aus dem „kirchlichen Tagesgeschäft“ zog sich Ingrid Kraneis mit dem Eintritt in den Ruhestand bewusst zurück. Kirche sei heute anders, nicht mehr das, was sie seinerzeit als Kirche verstanden habe, meinte sie, ohne dies als Kritik zu sehen, sondern einfach als Feststellung. Worüber sie sich freute, war das große ehrenamtliche Engagement in Meinerdingen, oft durch die Kinder oder Enkelkinder ihrer ehemaligen Konfirmanden. Auch darum bleibt Ingrid Kraneis ein wichtiger Mensch in der Meinerdinger Kirchgeschichte.
Eckard Schulz