St.-Georg-Kirche im Mai 2016

 © Birger Schwarz

© Birger Schwarz / Kirchengemeine Meinerdingen 

© Birger Schwarz / Kirchengemeine Meinerdingen 

Über die Meinerdinger Altarleuchter und „Lichter“

Nachricht Meinerdingen, 27. März 2023

Jede Altarausstattung mit Vasa sacra umfasste auch immer mit Kerzen versehene Altarleuchter, die traditionell paarweise aufgestellt wurden. Über ihren Zweck des Lichtspendens hinaus, waren sie für die liturgischen Handlungen der Verehrung erforderlich, standen symbolisch für die spirituelle Nähe Christi. (Abb. 1) Die beiden Meinerdinger Leuchter beeindrucken durch formale Großzügigkeit und ausgewogene Proportionen. Sie sind 56 cm hoch und aus Messing gegossen. Der Fuß ist als mehrfach gestufte, konkav eingezogene Rundbasis gestaltet, die von 3 stilisierten Tiertatzen getragen wird. Den konisch zulaufenden Schaft zieren 3 flache, von schmalen Wulstringen flankierte Scheiben. Doppelrillen gliedern die glatt belassenen (Schaft-) Abschnitte. Eine sich weit öffnende, abgetreppte Traufschale bildet den oberen Abschluss. Die fast monumental wirkenden Leuchter gehören durch ihre Schmuckmotive, den Scheiben, zur Kategorie der SCHEIBENLEUCHTER. Dieser Leuchtertyp war in der Sakralkunst sehr beliebt, was seine lange Laufzeit widerspiegelt (15. bis 17. Jh.); zudem auch überregional weit verbreitet. In hiesiger Umgebung finden sich Beispiele u.a. in der Dorfmarker und Stellichter Kirche.

Trotz ihrer Typisierung stellen die Meinerdinger Exemplare aber mit den Tiertatzenträgern (Abb. 2) eine sonst bisher nicht belegbare Sonderform dar. Die Datierung der Leuchter ist nicht gesichert, Stiftervermerke oder entsprechende Ausgabenbelege fehlen. Die Leuchter werden erstmalig in einer Dienstanweisung für den Küster am Ende des 17. Jhs. genannt. Und zwar sollte er (der Küster) die Leuchter zweimal jährlich durch sein „ Hausgesind“ putzen lassen . Dagegen verwahrte er sich entschieden: …“ er meine, dies gebühr ihm nicht, wo ihm die Kirche nicht dafür lohnete“ (HS1 Corpus Bonorum). Wer letztlich die Leuchter pflegte, ist nicht nachweisbar.

Ihr guter Erhaltungszustand deutet jedoch auf fortwährend sorgfältige Pflege bis heute. Zur chronologischen Eingrenzung der Leuchter bietet sich ein 1594 von dem Ehepaar Arendt v. Honnstede und Margreta v. Elte in die Kirchwahlinger Kirche gestifteter einzelner Scheibenleuchter an, der in der Kleinteiligkeit der Formen und spröden Gestaltung (Abb. 3) eine ältere Stilstufe vertritt und damit eine spätere Entstehung der Meinerdinger Leuchter nahelegt; vorzugsweise erst nach dem 30jährigen Krieg. Denn eine solche Metall-Beute wäre vom „Kriegsvolk“ nicht unbeachtet geblieben; hatten schwedische Soldaten 1626 bereits die kleinere der beiden Glocken vom Meinerdinger Kirchturm geholt. Im Gegensatz zum späten schriftlich belegten Vorhandensein der Altarleuchter werden „Lichter“ (Kerzen) schon in den frühesten erhaltenen Kirchenregistern (ab 1547) aufgeführt; denn „wax tho Lichten in die kerkin“ war nach „Comunion“ (Abendmahls-) Wein der wichtigste jährliche Ausgabeposten. Damit einhergehend folgt in den Abrechnungslisten stets der Vermerk „Verzehrt“ bzw. „vor Bier und Kost“. Wachs wurde also von der Gemeinde angekauft, die Kerzenherstellung war Gemeinschaftsaufgabe von Pastor, Kirchenvorstehern, Küster und deren Frauen, die abschließend eine gemeinsame Mahlzeit einnahmen; „Um Martinstag werden 2 Wachslichter von 8 Pfund gemacht. Als dan müßen die Kirchenjuraten eine gute mahlzeit Von der Kirche wegen bereiten, den prediger u. küster samt deren Frauen und der juraten Frauen“.

Bis ins 18. Jahrhundert hinein hielt man an dieser Tradition der Kerzenherstellung und gemeinsamen Mahlzeit fest. Nach 1750 wurden Wachskerzen dann nur noch von professionellen Kerzenmachern aus Hannover oder Celle bezogen, die gemeinsamen Mahlzeiten wurden aufgegeben. Wachs hatte durch seine Kostspieligkeit einen hohen Stellenwert, war auch Statussymbol, so dass Streitigkeiten über Restbestände nicht ausblieben……“ Vom wachs sind allemal bis 1696 2 Pfund Wachs zurückgeblieben. Da der prediger solches im Nachwägen befunden“. „Von diesen (Resten) nimmt der prediger ein teil und die Kirchenjuraten die anderen Stücke an sich und wollen noch dazu ein kleines Wachslicht haben“. Es sind auch Vermerke vorhanden, in denen die Juraten eine andere Verteilung der Wachsreste– zu ihren Gunsten – forderten, sehr zum Ärger des Pastors.

Im 19. Jahrhundert kamen Stearinkerzen auf, die sich dann jeder leisten konnte. Heute werden einfache Haushaltskerzen verwendet, die, durch eine Stellvorrichtung innerhalb der ausgehöhlten dicken Wachsumhüllung nach oben bewegbar, ebensolche symbolische Wirkung erzeugen.

Text: Dr.Ingrid Münch / Fotos: Jürgen F. Münch