St.-Georg-Kirche im Mai 2016

 © Birger Schwarz

© Birger Schwarz / Kirchengemeine Meinerdingen 

© Birger Schwarz / Kirchengemeine Meinerdingen 

„Unser Friedhof ist nichts Totes“

Meinerdingen, 17. März 2021

Meinerdinger Friedhof verändert immer wieder sein Gesicht durch neue Angebote

Wer nicht regelmäßig den Weg zum Meinerdinger Friedhof findet, um dort die Grabstätte eines Verstorbenen zu besuchen, kann schon mal die Orientierung verlieren. Was bisher vorrangig die letzte Ruhestätte für Verstorbene war, hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend in ein sehr lebendiges Stückchen Erde verwandelt. Und die Verwandlung ist ein dauerhafter Prozess, gehört zum Konzept, das Siiri Eggers, zuständig für die Friedhofsverwaltung, und Gerald Hohls, als Landschaftsgärtner für die Gestaltung verantwortlich, entworfen haben und ständig weiter entwickeln. Rund 45.000 Euro, ein Großteil davon als Fördermittel aus Töpfen der Europäischen Union, sind in den vergangenen Monaten in die Umgestaltung des Meinerdinger Friedhofs geflossen. Möglich wurde der positive Förderbescheid nur, weil die Verantwortlichen der Meinerdinger Kirchengemeinde frühzeitig „auf Bio“ gesetzt haben. Selbst ungebetene Kräuter müssen im Rahmen der Biodiversität keine chemische Keule fürchten.
Im Zusammenhang mit der schrittweisen Umgestaltung wurden auch neue Beisetzungsarten ermöglicht. Neben den traditionellen Grabarten auf den Flächen links und rechts vom Hauptweg zur Kapelle gibt es eine Rasengrabanlage für Urnen, aber auch für Erdbestattungen in Reihen- und Partnergräbern auf drei unterteilten Rasenflächen. Großen Zuspruch hat der Friedpark gefunden. Dort werden Urnen auf den Rasenflächen beigesetzt. Die Namen der Verstorbenen werden auf Bronzetafeln an mehreren Basaltstelen angebracht.

Im Sommer letzten Jahres sind als Bestattungsorte der Heidegarten und der Birkenhain hinzugekommen, wo ebenfalls Urnen beigesetzt werden können und auch bereits wurden. Zur besseren Orientierung für die Friedhofsbesucher weisen Findlinge mit eingravierten Ortsbezeichnungen auf die Grabanlagen hin. Zudem gibt es als Gemeinschaftsgrabanlage die sogenannte Ruhegemeinschaft. Zunehmende Bedeutung haben die sogenannten „Wunschgräber – kleiner Garten“ gewonnen. Diese Gräber sind besonders pflegeleicht, auf Wunsch kann die Pflege auch komplett an den Friedhofsträger abgegeben werden.
Die neueste Bestattungsform sind „Bestattungen am Baum“. Das Beet auf dem im Herbst ein Baum gepflanzt wurde, der von Staudenpflanzen eingerahmt wird, ist mit einer Natursteineinfassung umgeben. Auf den Steinen können die Namenstafeln der Verstorbenen aus Bronze angebracht werden.


Der Eingang zum neuen Bereich, in dem sich auch die Gräber von Kindern befinden, wird künftig von Rosenbögen geprägt sein. Der neue Eingangsbereich zu dieser Fläche werde erheblich aufgewertet. „Und ich freue mich schon riesig auf die Torbögen und die ersten Rosenknospen“, blickt Siiri Eggers auf den Frühling. Sind Angehörige nicht total überfordert, wenn sie nach dem Tod eines nahen Angehörigen plötzlich vor der Frage stehen, welche der vielen Grabarten sie auswählen sollen? Ja. Viele seien überrascht von der Vielfalt der Möglichkeiten und das könne auch zur Überforderung werden. Manche würden die Vielfalt aber auch als Segen empfinden, weiß Siiri Eggers. Es sei wichtig, sich die notwendige Zeit bei der Grabauswahl zu nehmen, fügt sie hinzu. Darum werde sie in diesem Jahr auch wieder regelmäßig Friedhofsführungen anbieten. Vorab können sich Besucher im Eingangsbereich am Hauptweg auch mit Flyern aus dem neuen Infokasten bedienen. Und im Herbst 2021 steht – sofern Corona es zulässt – erneut eine größere Informationsveranstaltung auf der Tagesordnung. Zur ersten Veranstaltung, bei der es um die Umsetzung der EU-geförderten Maßnahmen ging, kamen über 100 Besucher sonntags „zur besten Kaffeezeit“ auf den Friedhof.

Diese Resonanz bestätigte bereits damals die Aussage, die Siiri Eggers heute wiederholt: „Als Friedhofsbetreiber bieten wir nicht nur eine Vielzahl an Grabarten an, sondern mit dem Friedhof einen ruhigen und schönen Ort, der den Menschen bei ihrer Trauerverarbeitung hilft. Wir sehen den Friedhof als Gesamtobjekt, das der Seele gut tut.“
Hier spiegle sich die Vielfalt der Natur wider. „Wir planen keine einzelnen Sachen, sondern sehen das Große und Ganze, sehen den Friedhof wirklich als Gesamtkunstwerk, stellen uns die Frage, wo wir mit dem Friedhof für die nächsten Generationen hin wollen. Das ist schon eine große Herausforderung“, betont die Meinerdinger Friedhofsverwalterin.Auch wenn die europäischen Fördermittel ausgegeben seien, gehe die Entwicklung des Friedhofes ständig weiter. „Unser Friedhof ist nichts Totes. Der ist unwahrscheinlich lebendig“, fasst es Siiri Eggers zusammen. Hier könne man einen Teil des schweren Herzens abladen. Dies sei ein Ort der Begegnung, der Ruhe und auch des Lebens. „Die EU-Förderung hat uns erheblich voran gebracht. Und ohne die Aufnahme ins Konzept hätten wir Gerald Hohls nicht angesprochen. Er hat jetzt durch sein Fachwissen das Große und Ganze im Blick.

Durch ihn als Landschaftsgärtner wird unser Friedhof wirklich als ein Ort gestaltet und entwickelt. Er ist der Fachmann, und er kennt dadurch auch die Grenzen, die wir nicht überschreiten dürfen.“ Bei den Planungen spielt auch die Veränderung der Bestattungsarten eine große Rolle. Knapp 50 Beerdigungen gibt es pro Jahr in Meinerdingen. Mittlerweile erfolgen sie zu 70 Prozent als Urnenbeisetzungen. Das hat zur Folge, dass längst nicht mehr so viel Fläche benötigt wird. Wo auf dem Friedhof in einzelnen Bereichen die Liegezeit mehrerer Gräber abläuft, wird die freiwerdende Fläche umgenutzt. So ist beispielsweise auch eine Obstwiese entstanden. Ziel dabei ist es, die Unterhaltungskosten möglichst niedrig zu halten, weil die sich direkt auf die Friedhofsgebühren niederschlagen. Und auch deren Höhe kann bei der örtlichen Wahl der letzten Ruhestätte mit entscheiden.

Siiri Eggers verwaltet den Meinerdinger Friedhof, ist nicht nur Ansprechpartnerin und Beraterin für Angehörige, sondern auch Ideengeberin, wenn es um die Gestaltung des Meinerdinger Friedhofes geht.