Das große Transparent an der Meinerdinger Kirchscheune sollte den Menschen Ostern 2020 Mut machen und Zuversicht vermitteln. Ein Virus hatte auch den Heidekreis erreicht. Zu diesem Zeitpunkt ahnte allerdings wohl niemand, wie sehr es das Leben weltweit, aber auch vor der eigenen Haustür verändern würde. „Wir mussten dreimal schlucken“, erinnert sich Thomas Delventhal an die behördlichen Vorgaben, dass es in Meinerdingen am wichtigsten Fest der Kirche keinen Ostergottesdienst geben werde. Fast ein Jahr ist das her. Das große Banner hängt immer noch an der Scheune. Seine Losung hat eine Bedeutung bekommen, die beschreibt, woher die Verantwortlichen in der Meinerdinger Kirchengemeinde ihren Elan nehmen, auch in Corona-Zeiten nach vorne zu schauen, nicht in Mutlosigkeit und Depression zu versinken: „Jesus spricht: Ich bin bei euch alle Tage.“
Pastor Delventhal ist sicher, dass es in diesem Jahr Ostersonntag und Ostermontag Gottesdienste und auch die Feier zur Osternacht (Sonntag 5.30 Uhr) in Meinerdingen geben wird. Die Meinerdinger haben das Beste aus der Situation gemacht. Gottesdienste mit eng begrenzter Besucherzahl und unter Einhaltung aller Hygienekonzepte in der wunderschönen Kirche, die schieden rasch aus. Die Kirchwiese wurde zur Freiluftkirche - das ganze Jahr über (außer wenn es in Strömen regnete). Sogar Heiligabend wurden hier Gottesdienste gefeiert. Konfirmationen fanden auf dem Rasen „abschnittsweise“ in kleinem Rahmen statt. Auch drei Brautpaare gaben sich auf der Rasenfläche an der Kirche das Ja-Wort. „Und es war jedesmal eine ganz besondere Atmosphäre, über die alle Beteiligten noch lange gesprochen und von der sie geschwärmt haben. Es war wunderschön, speziell bei den Hochzeiten. Das war fast fernsehreif“, erzählt Thomas Delventhal.
Sobald das Wetter es zulasse, werde es wieder Gottesdienste draußen geben, lässt der Pastor keine Zweifel aufkommen und gesteht nebenbei auf Nachfrage, dass es bei ihm tatsächlich Entzugserscheinungen gebe. „Ich freue mich darum schon, wenn ich sonntags wieder zum Gottesdienst einladen darf.“ Dauerzwangsurlaub hat er allerdings nicht gehabt. „Wir arbeiten hier für die Zukunft, darauf bereiten wir uns vor. Wir freuen uns auf das, was kommt. Wir sind drauf vorbereitet“, beschreibt er die Arbeit im Kirchenvorstand. Die neuen Termine für die Konfirmationen sind auch schon festgelegt worden. Am 4. und 11. Juli, also noch vor den Sommerferien sollen sie gefeiert werden. Und er hoffe auch, dass ab April der Konfirmationsunterricht wieder stattfinden kann, „draußen natürlich, aber das macht es noch schöner.“
Schwieriger ist es bei der Planung von Trauungen, wobei die Umsetzung aus Sicht der Kirche problemlos möglich wäre. „Aber die Brautpaare wollen natürlich gerne alle Menschen dabei haben, die sie lieb haben. Und da kann heute keiner seriös sagen, ob und wann große Feiern mit vielen Menschen möglich sein werden“, gibt er ehrlich zu. Viele Paare hätten ihren Hochzeitstermin extra von 2020 auf 2021 verschoben. Aber es gebe immer noch keine Sicherheit. Natürlich habe sich das Gemeindeleben in diesem Coronajahr verändert. Die direkten persönlichen Kontakte in den vielen Gruppen gebe es nicht (einzig das Friedhofsteam mit Kurt Rotermund an der Spitze macht da eine Ausnahme). Aber die Verbundenheit untereinander sei vorhanden. „Egal mit wem ich spreche, merke ich, dass man aufeinander achtet, miteinander redet.“
Stillleben in der Kirchscheune: Auch in diesem Jahr wird das KirchCafé wahrscheinlich geschlossen bleiben, und auch die musikalischen Grillabende wird es wohl nicht geben. „Wir können in den Coronazeiten keine absolute Sicherheit für die Gäste garantieren“, weiß Pastor Delventhal.
Er selbst hat eine besondere Art der Kontaktpflege wieder entdeckt. „Ich bekenne, nicht digital zu sein.“ Darum schicke er seinen Konfirmanden jeden Freitag einen Brief mit einer Aufgabe nach Hause. Die sollen die Aufgabe erledigen, das Ergebnis fotografieren und ihm per Mail schicken. „Sie machen das alle toll. Und zwei schicken mir ihre Ergebnisse sogar per Brief zurück. Das macht das Ergebnis noch einmal schöner“, betont er.
Doch es gibt auch konkrete weltliche Herausforderungen. Den Kirchen fehlt schlichtweg das Geld, das sie unter anderem sonntags durch die Kollekte einnahmen. In Meinerdingen gab es aber größere Einnahmequellen. Durch den Betrieb des Kirch-Cafés und die musikalischen Grillabende kam das Geld rein, das unter anderem zur Unterhaltung des alten Pfarrwitwenhauses benötigt wird. „Das Geld fehlt ganz real.“ Glücklicherweise gibt es jährlich 30.000 Euro aus der Stiftung „Lebendiges Meinerdingen“. In diesen Zeiten, müsse man eben auf Rücklagen zurückgreifen. Gleichwohl werde jedem in dieser Ausnahmesituation besonders klar, was das Kirch-Café und die Veranstaltungen für das Gemeindeleben bedeuten, auch finanziell.
Fürchtet er, dass sich einige nach dem erhofften Ende der Coronakrise nicht wieder in der Gemeinde engagieren? „Im Gegenteil. Ich habe das Gefühl, dass alle in den Startlöchern sind. Alle werden wiederkommen, und alle werden die Nähe und die Vertrautheit wiederfinden, die wir alle so vermissen“, blickt der Meinerdinger Pastor optimistisch nach vorne. Allerdings bleibt er auch Realist. Er gehe davon aus, dass das Kirch-Café auch dieses Jahr nicht öffnen und auch keine Grillabende auf der Kirchwiese stattfinden können. „Ich wäre einfach in Sorgen, dass sich hier jemand infizieren könnte.“ Darum werde die Vorfreude auf die Veranstaltungen bis 2022 noch mehr wachsen. „Und in einem Punkt bin ich ganz sicher: Wir werden so viel Bratwurst bestellen, dass es keine Engpässe wie beim Impfstoff geben wird“, schmunzelt er.
Eckard Schulz