St.-Georg-Kirche im Mai 2016

 © Birger Schwarz

© Birger Schwarz / Kirchengemeine Meinerdingen 

© Birger Schwarz / Kirchengemeine Meinerdingen 

Was vor Corona normal war, ist nicht mehr selbstverständlich

Nachricht Meinerdingen, 25. November 2021

Pastor Thomas Delventhal: Wir haben durch Corona neue Wege gesucht und gemeinsam gefunden

Es dauert nicht mehr lange, dann beginnen auf allen Fernsehkanälen die Jahresrückblicke. Erinnern an besondere Situationen, an Helden oder Pechvögel. Welches Resümee zieht Pastor Thomas Delventhal am Ende von 2021 für die Kirchengemeinde Meinerdingen? Ein normales Jahr ist das zweite Coronajahr sicherlich nicht gewesen. Also ein trübsinniger Rückblick?

Keine Ahnung, ob der Pastor das Wort „trübsinnig“ überhaupt in seinem Sprachgebrauch hat. Er denkt länger als üblich für die erste Antwort nach. Dann ist das Lächeln da, das ihn auszeichnet: Im Vordergrund würden sicherlich die Sommermonate stehen, die alles überstrahlt hätten, was in den ersten Monaten des Jahres unter Corona recht finster erschien. Die ersten Monate des Jahres seien sehr schlimm gewesen. Corona habe auch in seiner Kirchengemeinde viele Familien getroffen.

„Ich war in den ersten Monaten sehr häufig bei Beerdigungen, weil Menschen von hier an Corona oder den Folgen verstorben sind“, erinnert er sich. Der erste Lichtschein in der Zeit des Lockdowns sei die Osternacht gewesen, die unter Einhaltung aller Hygiene- und Abstandsvorgaben auf der Kirchwiese gemeinsam gefeiert worden sei. Dabei seien auch die Osterkerzen entzündet worden, die Landesbischof Ralf Meister wenige Tage vorher bei einer Reise durchs Land auch in Meinerdingen vorbeigebracht hatte.

„Ab Mai hat sich die Lage dann schlagartig entspannt, sodass wir Himmelfahrt die Sommerkirche guten Gewissens starten konnten“, blickt Thomas Delventhal zurück. „Wir sind immer klare Kante gefahren. Wir wussten, die Temperaturen steigen, die Infektionszahlen sinken und irgendwann schnitten sich die Kurven in der Statistik.“ Das sei quasi der Start für die außergewöhnlichen Aktivitäten in einem ungewöhnlichen Kirchenjahr gewesen.

Alle seien mit Eifer dabei gewesen. Vor allem die Helfer im Aufbauteam, die nicht nur für den Sonntagsgottesdienst, sondern auch für zusätzliche Veranstaltungen – wie Taufen, Konfirmation oder Hochzeiten – die „tragbaren Kirchenbänke“ auf der Kirchwiese aufbauten. „Es hat unbeschreiblich schöne Momente gegeben“, schwärmt der Pastor von glücklichen Konfirmanden, von einem unglaublich intensiven Gemeinschaftsgefühl zwischen den Eltern der Konfirmanden, von einer wunderbaren, einmaligen Atmosphäre bei einer Trauung unter freiem Himmel und von den fast 30 Taufen, die in den Sommermonaten auf der Kirchwiese stattfanden. „Das macht das lebendige Meinerdingen aus, dass wir uns hier wirklich von Höhepunkt zu Höhepunkt bewegen, das vor dem Hintergrund von Corona aber ganz anders wahrnehmen.“

In der Vergangenheit sei alles als normal hingenommen worden. In der Corona-Situation sei etwas Neues entstanden. „Was normal war, wird bewusster wahrgenommen und wertgeschätzt“, ist seine Beobachtung. Neue Wege seien gesucht und gefunden worden. Manches sei so gut, dass man es beibehalten möchte. „Ich bin im Sommer schon mehrfach gefragt worden, ob wir die Sommerkirche auf der Kirchwiese und auch die Konfirmationen draußen nicht grundsätzlich beibehalten können“, lächelt der Pastor.

Kirchcafe_Veranstaltung-2019

Durch Corona seien neue Ideen entwickelt und umgesetzt worden. Und die Kirchwiese habe an Wertigkeit gewonnen, damit auch die Gottesdienste, die für viele nur noch aus Predigt und Singen bestanden hätten. Früher sei der Gottesdienstbesuch am Sonntag für die Menschen die einzige Möglichkeit gewesen, mal von der eigenen Scholle runterzukommen. Da sei nach dem Gottesdienstbesuch Vieh verkauft worden. Man habe zusammen gegessen und getrunken. Die Familien seien an dem Tag zusammen gekommen. „Ich hoffe, dass wir die neuen wertvollen Ideen aus der Corona-Zeit in die Zeit nach Corona mit rübernehmen“, äußert Thomas Delventhal einen Wunsch.

Aktuell finden die Gottesdienste wieder in der Meinerdinger Kirche statt. Das wird auch am Totensonntag, 21. November, sein, wo in den Gottesdiensten um 9.30 Uhr und um 11 Uhr die Namen der Verstorbenen dieses Jahres verlesen werden. Eine Freiluftveranstaltung wird es aber auf jeden Fall noch geben: Heiligabend finden um 15 Uhr, um 16.45 Uhr und um 18 Uhr Gottesdienste unter freiem Himmel auf der Kirchwiese statt. „Wir hatten nach der Premiere im vergangenen Jahr so viele Anfragen, dass wir uns dazu entschlossen haben“, sagt Thomas Delventhal. Anmeldungen sind aber erforderlich unter 05161/8790 im Kirchenbüro bei Ute Bremer.

Was das neue Jahr angeht, blickt Meinerdingens Pastor optimistisch nach vorne. Die meisten Gruppen, auch die St. Georg Singers, seien wieder aktiv. Und er sei sicher, dass im kommenden Jahr auch das Kirch-Café wieder öffnen werde. „Und im April/Mai wollen wir angrillen.“ In einem Punkt ist Thomas Delventhal sicher, dass auch 2022 ein besonderes Kirchenjahr wird: „Da wird dann alles normal sein, was vor Corona normal war, aber es wird nach Corona nicht mehr als Selbstverständlichkeit begriffen.“

Eckard Schulz