St.-Georg-Kirche im Mai 2016

 © Birger Schwarz

© Birger Schwarz / Kirchengemeine Meinerdingen 

© Birger Schwarz / Kirchengemeine Meinerdingen 

Medizin im Vorabendprogramm

Nachricht Meinerdingen, 01. Juni 2025

Beobachtungen aus dem Alltag / Wenn gealterte Showmaster mit Wehwehchen werben

Es gibt unterschiedliche Symptome, die einen merken lassen, dass man „in die Jahre“ gekommen ist. Das Treppensteigen morgens nach dem Aufstehen gehört dazu. Es dauert einige Stufen, ehe auch die Knie aus dem Schlafmodus erwacht sind, ihre schmerzende Steifheit aufgeben und den Morgen willkommen heißen. Dienstags meldet sich nach dem Friedhofsdienst häufig der Rücken. Verschleiß. Ist mit knapp 75 Jahren auch erlaubt. 

Ich habe vor dem Renteneintritt mal meinen Doktor gefragt, ob es normal ist, dass ich mittags manchmal müde bin. Er hat mich nur kurz angeschaut und in seiner speziellen Art gesagt, wenn ich wissen wolle, warum das so sei, sollte ich einfach auf mein Geburtsdatum in meinem Personalausweis schauen. „Und dann mach ein Mittagsschläfchen.“ Ich bin ein braver Patient, hab mir das zu eigen gemacht. 

Seit einiger Zeit weiß ich, dass offenbar auch andere mit altersbedingten Verschleißerscheinungen zu tun haben. Täglich erfahre ich vor, zwischen und nach Ratesendung und Kurzkrimi im Fernseh- Vorabendprogramm, was man an Gebrechen haben und angeblich dagegen tun kann. In jedem Spot geht es um werbewirksam verpackte Medikamente. 

Die Zwillinge, die seit vielen Jahren behaupten, dass ihr Medikament garantiert Rückenschmerzen, Kopfschmerzen oder Müdigkeit beseitigen („Gute Preise, gute Besserung“), sind auch älter geworden. Im nächsten Spot hat eine Oma schmerzhafte Verdauungsprobleme und eine freche, vorlaute Enkelin an ihrer Seite, die jedem sagt, dass ihre Oma pupst. Schließlich wird es sportlich, wenn unbekleidete Senioren und Seniorinnen auf dem Fahrrad (Aua! Aua!) unterwegs sind oder nackt Tischtennis spielen, wobei sie sich die Schläger als Sichtschutz vor die Brust halten. Gemeinsames Ziel: Der Betrachter soll eine Schmerzsalbe kaufen. 

Auch gealterte Showmaster tauchen täglich (Ausnahme am werbefreien Sonntag) am Rand des Vorabendprogramms auf. Früher war kein Model sicher, wenn es bei „Wetten, dass…“ neben Thomas Gottschalk auf dem Sofa saß. Heute verkündet er stolz, dass er mit seinem Hörgerät sogar Nachbars Katze durch die geschlossene Terrassentür miauen hört. Und Günther Jauch trifft jeden Abend im Fahrstuhl des Ärztehauses eine jüngere Mitfahrerin, die ihn fragt, ob er beim Arzt gewesen sei (wer hätte das in einem Ärztehaus erwartet?) und nun mit dem Rezept zur Apotheke gehe. Doch da hat sie die Liftfahrt ohne Jauch gemacht, der ihr erklärt, dass er alles per E-Rezept auf seinem Handy regelt und die Medizin nach Hause geliefert bekommt. „Eine Sensation!“ 

Ich freue mich, wenn nach dem Kurzkrimi manchmal der Schauspieler Sky du Mont auftaucht. Der macht Werbung für „Edle Tropfen in Nuss“. Sind vielleicht nicht gesund, machen möglicherweise dick, aber sie schmecken und lassen bei jedem Biss die gesundheitlichen Probleme aus den voran gegangenen Werbefilmen vergessen, ohne Arzt, Ärztin oder Apotheker um Rat zu fragen. 

Eckard Schulz