Er erinnert sich noch genau. Das sei ein bewegender Tag gewesen.
Am 1. Advent 1995 wurde Thomas Delventhal vom damaligen Superintendenten Stock in sein Amt als Meinerdinger Pastor eingeführt.
„Die Kirche war damals überfüllt wie zu Heiligabend. Sehr herzlich und sehr offen sind wir damals von den Menschen hier aufgenommen worden.“ Von den angeblich sturen Heidjern hätten er und seine Frau nie etwas gemerkt. „Und wir sind den Menschen so offen begegnet, wie sie uns aufgenommen haben“, nennt der Pastor nach genau 30 Jahren einen wesentlichen Punkt des „Meinerdinger Erfolgsrezepts“.
Um die Leute für sich zu gewinnen, sei er überall hingegangen, wo die Menschen zusammenkamen. Er sei bei der Feuerwehr, bei den Schützen, ganz besonders bei den Vorbrückern, mit offenen Armen aufgenommen worden. „Du musst an ihnen interessiert sein.“ Ehefrau Sigrid habe durch ihre eigenen Kinder engen Kontakt zu jungen Müttern gehabt. Im Gemeindesaal habe es bis zu vier Krabbelgruppen für kleine Kinder gegeben.
Ob es ihm im Rückblick auch gelungen sei, die Menschen für die Kirche zu gewinnen? „Ein ganz klares Ja“, kommt die Antwort. „Die Menschen erleben, dass hier die Kirche ist. Und für sie bin ich dann Kirche.“ Man müsse Kirche größer denken. „In den Vereinen und Gruppen sind alles getaufte Menschen, und die Kirche ist die Klammer für alle Menschen.“ Das sei vermutlich auch der Grund, warum zu den Veranstaltungen in der Kirchengemeinde Meinerdingen immer so viele Menschen kommen. Was sagt er dazu, dass viele ihn deswegen auch schon mal als „Menschenfänger“ bezeichnen?
„Wenn das positiv gemeint ist, nehme ich es als Auszeichnung an.“
Hatte Kirche früher noch einen anderen Stellenwert, weil Kirche und Glaube selbstverständliche Bestandteile des Lebens waren?
Seit etwa 20 Jahren würden die Einnahmen aus der Kirchensteuer aufgrund sinkender Mitgliederzahlen immer weiter zurückgehen, womit auch die Nichtbesetzung freiwerdender Pfarrstellen begründet werde.
Heute gehe es darum, dieser Entwicklung mit intelligenten Lösungen
zu begegnen. „Für mich persönlich hat sich die Rolle der Kirche nicht verändert. Für mich gehört Kirche zum gesellschaftlichen Leben dazu. Sie ist Ankerpunkt an den Schnittstellen des menschlichen Lebens. Durch sie
fühlen sich Menschen getragen.
Hier in Meinerdingen engagieren sich unglaublich viele Menschen, bringen sich so in die Gemeinschaft ein. Ohne Kirche würde es diese Gemeinschaft nicht geben. Und diese Gemeinschaft macht Kirche stark“, urteilt der Meinerdinger Pastor. Hier könne man Freud und Leid teilen. Hier in Meinerdingen werde das jeden Tag gelebt, darum werde die Kirche bewusst im Dorf gelassen.
Ob ein neuer Pastor oder eine neue Pastorin die gleichen Startbedingungen
wie er vorfinden würden? „Man muss sich in diese lebendige Gemeinschaft einbringen, dann wird man genauso herzlich aufgenommen, um die Arbeit hier mit Freude zu gestalten“, lautet seine Antwort. Wie groß ist sein Anteil, wie groß der der vielen Ehrenamtlichen am „lebendigen Meinerdingen“? „Ein lebendiges Gemeindeleben ist nichts für Einzelkämpfer. Wir sind miteinander gewachsen und haben uns gegenseitig motiviert“, hebt Delventhal hervor. Ideen aufnehmen, sie gemeinsam entwickeln, unterstützen und die Menschen machen lassen, das sei das Erfolgsgeheimnis. Um das hinzubekommen, brauche man jemanden vor Ort, ist er sicher.
Ist Pastor zu sein mehr als Beruf, sondern eher Lebensaufgabe? „Eindeutig“, kommt die klare Antwort. Pastor sei man durch und durch und rund um die Uhr. Mit den Gedanken sei man immer bei den Menschen seiner Gemeinde. Das bereite Freude, und Freude sei nicht anstrengend. Und sein ganz persönliches Resümee nach
30 Jahren als Pastor in Meinerdingen? „Es war und ist eine Freude, Pastor in Meinerdingen zu sein. Das passte hier von Anfang an.“
Eckard Schulz