St.-Georg-Kirche im Mai 2016

 © Birger Schwarz

© Birger Schwarz / Kirchengemeine Meinerdingen 

© Birger Schwarz / Kirchengemeine Meinerdingen 

„Lebendige Gemeinden sterben nicht“

Nachricht Meinerdingen, 06. Juni 2022

Visitation: Superintendent Ottomar Fricke holt sich Einblicke ins Gemeindeleben

Alle sechs Jahre wird es offiziell. Das ist der Abstand, der zwischen dem offiziellen Besuch einer Kirchengemeinde durch den Chef des Kirchenkreises Walsrode liegt. In diesem Jahr war es wieder offiziell. Die Visitation der Kirchengemeinde Meinerdingen durch Superintendent Ottomar Fricke fand statt. Am Rande des offiziellen Teils stand Fricke auch zu einem Gespräch mit der Redaktion des Gemeindebriefes zur Verfügung.

Rein äußerlich ändert sich in sechs Jahren nicht so sehr viel in einer Kirchengemeinde auf dem Lande. Meinerdingen bildete da mehrfach eine Ausnahme. Davon konnte sich der Superintendent schon bei seiner ersten Besuchsstation überzeugen. Als Beispiel für aktive ehrenamtliche Arbeit kam er mit den Mitgliedern des Friedhofsteams ins Gespräch und ließ sich von Siiri Eggers und Gerald Hohls bei einem Rundgang über die neuesten Entwicklungen und aktuelle Planungen auf dem Friedhof informieren. Wesentlich war auch das 750-jährige Jubiläum der Kirchengemeinde, das 2019 stattfand und die Kirchengemeinde nachhaltig noch lebendiger sein und trotz der Corona-Einschränkungen bleiben ließ.

Er versuche, bei der Visitation in ganz kurzer Zeit möglichst viel über die Gemeinde zu erfahren. Das habe nichts mit der Rolle des Prüfers und der Prüflinge zu tun. „Ich bin der, der besucht und die Gemeinde ist die, die besucht wird“, weist er den Vergleich mit Schule und Notenverteilung zurück. Dabei ist er beim Besuchsantritt schon besser informiert, als es mancher in der Kirchengemeinde je sein wird. Im Kirchenbüro sind von Ute Bremer alle notwendigen Informationen gesammelt und zusammengestellt worden. Das ist sehr viel Lesestoff für den Gast. Für ihn sei es wichtig, viele Aspekte der Arbeit vor Ort zu sehen, sich einen Einblick zu verschaffen. „Und ich bin derjenige, der dann seine Außenansicht zur Verfügung stellt, um vielleicht Veränderungen anzustoßen, die man selbst durch die Gewohnheit nicht mehr sieht.“ Ob die „Ratschläge von außen“ angenommen werden, liege in der freien Entscheidung jeder Kirchengemeinde.

Ein Zeugnis mit Schulnoten gibt es nach der Visitation nicht. Ein Bericht werde von ihm erstellt. Der sei auch dem Kirchenvorstand zugänglich. Doch die Visitation strahlt weit über die Meinerdinger Gemeindegrenzen hinaus. Auch das Landeskirchenamt erhält ein Exemplar des Visitationsberichtes. Und jedes einzelne Kapitel landet bei den jeweiligen Fachabteilungen. Da könne dann genau abgelesen werden, welche Veränderungen es in der jüngsten Vergangenheit in den einzelnen Kirchengemeinden gegeben habe, wo eventuelle Handlungsbedarf bestehe. Diese Vernetzung sei sehr wichtig. So habe nicht nur er den Überblick über den Zustand seines Kirchenkreises, sondern liefere die Informationen auch an die „oberste Stelle“ nach Hannover weiter.

Und nach welchen Gesichtspunkten bestimmt er, ob eine Kirchengemeinde gut oder nicht so gut aufgestellt ist? „Wichtigster Faktor ist der Grad der Zufriedenheit der Gemeindemitglieder“, lautet Ottomar Frickes Antwort. Und er kommt auf einen Aspekt zu sprechen, der nicht nur die Zukunft der Kirche vor Ort, sondern auch die Infrastruktur in vielen Gemeinden beeinflusst. Jede Gemeinde sei anders. Und keine Gemeinde könne alles gleich gut abdecken. Jede Gemeinde könne „Spezialitäten“ vorweisen. „Das wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Diese Spezialität der einzelnen Kirchengemeinde muss für alle nutzbar sein.“ Ja, antwortet er auf die Frage, das Kirchturmdenken werde langsam immer mehr verschwinden. In der kirchlichen Jugendarbeit gebe es inzwischen schon eine starke überregionale Zusammenarbeit. „Das wird zunehmen“, ist Fricke sicher. Die Bedürfnisse der Menschen seien immer mehr gewachsen. Nur gemeinsam könne man sie befriedigen. Keiner könne mehr alles anbieten. „Wir müssen uns vor Ort auf unsere Kernkompetenz, das kirchliche Angebot, konzentrieren, bei allem anderen über die Gemeindegrenzen schauen und arbeiten.“

Und was ist nun aus seiner Sicht das Besondere an der Kirchengemeinde Meinerdingen? „Diese Gemeinde hat es mustergültig geschafft, aus ihren Chancen etwas zu zaubern. Sie haben ihre räumliche Randlage als Standortvorteil genutzt. Jeder weiß, was ich meine, der schon mal an einer Veranstaltung oder einem Gottesdienst auf der Meinerdinger Kirchwiese teilgenommen hat.“ Diese Stimmung sei wirklich einmalig. Aus den Wechselfällen des Lebens sei hier etwas Tolles gezaubert worden, das ganz viele Menschen verzaubere, besonders durch die Warmherzigkeit, die hier so ausgeprägt sei.

Kann man da nicht auf die Idee kommen, dass trotz der allgemein wachsenden Zahl an Kirchenaustritten kleinere Kirchengemeinden mit dörflichem Charakter mehr Überlebenschancen haben, weil die Menschen sich hier intensiver ins Gemeindeleben einbringen? Es gebe diese Automatik nicht. Die Dörfer würden sich verändern. Nicht von ungefähr hätten sich zum Beispiel Geldinstitute mit vielen Filialen aus den Dörfern zurückgezogen, weil die Bewohner nicht mehr alle traditionellen Angebote annehmen. „Da müssen wir beobachten, wie sich das bei der Kirche entwickelt. Ich sehe keinen Grund, warum es uns anders ergehen soll, als anderen Institutionen. Wenn keiner mehr zum Gottesdienst in die Kirche geht, weiß ich nicht, ob das Angebot aufrechterhalten werden kann.“

Also ist es die beste Überlebenshilfe für die eigene Kirchengemeinde, die Kirche vor der Haustür nicht nur als Selbstverständlichkeit hinzunehmen, sondern sich selbst aktiv ins Gemeindeleben einzubringen? „Das ist richtig. Lebendige Kirchengemeinden sterben nicht“, ist Superintendent Ottomar Fricke sicher.

Eckard Schulz